Die Geburt der Aktiengesellschaft und des Aktienmarktes

Die Aktiengesellschaft und der Aktienmarkt, ähnlich dem was wir heute darunter verstehen, wurde erstmals in Amsterdam gegründet. Das 17. Jahrhundert war für Holland das goldene Zeitalter in wirtschaftlicher Hinsicht. Vor dem Hintergrund des Unabhängigkeitskrieges mit Spanien, brachte Holland es fertig Amsterdam als finanzielles Zentrum zu etablieren und durch geschicktes Vorgehen bei der Finanzierung des Unabhängigkeitskrieges – ein großer Teil wurde beispielsweise durch eine Lotterie finanziert – als auch dem Handel mit Asien die Wirtschaft nicht nur am Leben zu erhalten sondern anzutreiben. Ende des 17. Jahrhunderts war Amsterdam die Hochburg der Finanzwelt.

Vereeinigde Ost-Indien Compagnie – VOC

Ein wichtiges Element für den Aufbau des finanziellen Netzes war die 1602 gegründete ‚Niederländische Ost-Indien Kompanie’ (Vereenigde Ost-Indische Compagnie VOC). Die VOC resultierte, aus Gründen der Risikominimierung und Gewinnmaximierung, aus der Zusammenlegung von sechs kleineren Ost-Indien Gesellschaften, die bis dahin ausgehend von verschiedenen holländischen Häfen operierten. Investoren dieser kleinen Gesellschaften konnten Anteile erwerben und es wurde von vornherein festgelegt, wann das investierte Kapital wieder ausbezahlt wurde. Meistens wurde die Investition nur für die Länge einer Reise getätigt.

Die Zusammenlegung kleinerer Handelsgesellschaften und Gründung der VOC hatte vielerlei Vorteile. Die VOC hatte ein Monopol für jeglichen Handel holländischer Unternehmer östlich des Kaps der guten Hoffnung und westlich der Magellan-Straße. Außerdem drohte die zwei Jahre vorher gegründete ‚English East India Company‘ die separat agierenden holländischen Einzelunternehmen zu erdrücken. Die extensiven Rechte der neu gegründeten VOC umfasste das Recht Forts zu bauen, Armeen zu unterhalten und Handelsabkommen mit asiatischen Herrschern abzuschließen. Durch die staatliche Unterstützung der VOC wurde das Element des Wettbewerbs drastisch herunter gesetzt, was das wirtschaftliche Handeln und Wachstum der Firma weiter erleichterte.

Anteile der VOC konnten von jedem erworben werden

Im Unterschied zur englischen ‚English East India Company‘ oder späteren ‚British East India Company‘, deren Anteilseigner nur wenige umfasste, konnten Anteile der VOC – keine Aktien im heutigen Sinne, sondern eher Quittungen als Nachweis für den Erwerb eines Anteils – von buchstäblich jedem Einwohner der Vereinigten holländischen Provinzen, der die Geldmittel aufbringen konnte, erworben werden. Dies war einzigartig und führte zu einer Kapitalisierung, die ein Vielfaches des Kapitals der ‚English East India Company‘ betrug.

Allerdings gab es keinen Zeitrahmen einer eventuellen Gewinnauszahlung an die Anteilseigner. In der Satzung der VOC wurde nur vermerkt, dass Gewinnauszahlungen stattfinden, sobald ein Gewinn von fünf Prozent des investierten Kapitals erwirtschaftet wurde – ein deutlicher Unterschied zu den bisher zumindest grob angegebenen Investitionszeiträumen bei den Vorläufern der VOC.

Kapital muss mindestens zehn Jahre investiert werden

Weiterhin deklarierte die ursprüngliche Satzung der VOC, dass Anteilseigner berechtigt seien ihr Kapital zehn Jahre nach Gründung wieder zu entnehmen. Die Direktoren stellten allerdings 1612 bei der Regierung den Antrag sie von dieser Verpflichtung zu befreien und dem Antrag wurde stattgegeben. Die Veröffentlichung der Bilanz und die Auszahlung der Anteilseigner wurde verschoben. Das einzige Zugeständnis an die verärgerten Investoren war der 1610 getroffene Beschluss der Auszahlung einer Dividende im folgenden Jahr.

VOC war anfangs kein wirtschaftlicher Erfolg

Entgegen der Erwartungen war die VOC kein sofortiger, wirtschaftlicher Erfolg. Es mussten asiatische Handelsnetze und –routen etabliert werden, ein modus operandi gefunden und sichere Handelsposten auf den verschiedenen Routen aufgebaut werden, alles Zeitraubende und finanziell kurzfristig und mittelfristig unrentable Aktionen. Dies hatte zur Folge, dass die Liquidität der Gesellschaft so schlecht war, dass die 1610 beschlossene Auszahlung einer Dividende an Anteilseigner in damals sehr wertvollen Gewürzen getätigt wurde, statt in monetären Mitteln. Im darauf folgenden Jahr wurde bekannt gegeben, dass die VOC, entgegen allen Erwartungen, nicht liquidiert werde.

Die Geburt des Aktienmarktes

Die Anteileigner, die ihr investiertes Kapital zurück haben wollten, hatten nur eine Chance dies zu erreichen – sie mussten versuchen ihre Anteile an andere Investoren verkaufen. Dies galt für die Investoren, die schon vor Ablauf der zehn Jahre aussteigen wollten als auch für diejenigen, die darauf gebaut hatten nach zehn Jahren ihr investiertes Kapital plus Rendite zurück zu erhalten. Dies war die Geburt des Aktienmarktes, der ‚Beurs’, ähnlich unserem heutigen System.

Es entwickelte sich ein lebendiger Handel mit den Anteilen der VOC. Ein drittel der Firmenaktien hatten bereits 1607 den Besitzer gewechselt. Anfangs wurden die Transaktionen unter freiem Himmel abgehalten. Allerdings war der Handel so anhaltend aktiv, dass 1608 entschieden wurde ein überdachtes Gebäude in der Nähe der Stadthalle zu bauen.

Gründung der ‚Wisselbank’ 1609

In dieser Periode wurde 1609 die ‚Wisselbank’ gegründet. Die Gründung der Amsterdamer Wechselbank resultierte aus dem Problem unterschiedlicher Währungen innerhalb der Vereinigten Provinzen. Ihre Gründung erlaubte es Händlern Konten in standardisierter Währung zu eröffnen, was den Handel und den Geldtransfer erheblich erleichterte. Außerdem führte die ‚Wisselbank‘ Papiergeld und die Verwendung von Schecks ein und ermöglichte Bewegung von Geldmitteln zwischen Konten, wie wir es heutzutage als Überweisung kennen. Die Stadt Amsterdam fungierte als Bürge für die Guthaben und der Gegenwert wurde in der Bank in Form von Silber gelagert.

Ein weiterer Grund der Etablierung der Amsterdamer Wechselbank war, dass ein funktionierender Aktienmarkt ein funktionierende Geldsystem braucht. Bald wurden Anteile der VOC als Sicherheiten für Kredite von der Wisselbank akzeptiert. Später wurden von der Bank spezielle Kredite ausgegeben mit denen Anteile der VOC erworben werden konnten. Eine neue Geld- und Wirtschaftsstruktur war erschaffen worden, die die Welt verändern sollte.

Anteilseigner der VOC waren rechtlos

Allerdings hatte die VOC bis Mitte des 17. Jahrhunderts, aufgrund ihres eher absolutistischen Führungsstils, mit der Rentabilität zu kämpfen. Den rechtlosen Anteilseigner wurden keine Fristen gesetzt, innerhalb derer sie ihr Investment zurück erwarten konnten, die Direktoren waren auf Lebenszeit berufen und wirtschaftliche Zahlen wurden nicht bekannt gemacht. Ein Zeitgenosse lamentierte, „Die Geschäftsbücher, so können wir nur mutmaßen, wurden mit Schinken eingerieben und an die Hunde verfüttert“.

Die Reform der VOC kam 1622. In Zukunft wurden die Direktoren nur noch für drei Jahre ernannt, Anteilseigner konnten Vertreter wählen und diese wiederum hatten Einsicht in die Bücher. Zusammen mit einer geschickten Finanzpolitik war die VOC um 1650 die erfolgreichst international agierende Handelsgesellschaft. Die 1650 gezahlten Dividenden betrugen im Durchschnitt das achtfache der ursprünglichen Investition mit einer durchschnittlichen jährlichen Rendite von siebenundzwanzig Prozent.

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