Wer erfand Atomphysik – wer hat Atomphysik erfunden

Eine kurze Geschichte der Atomphysik. Die meisten Physiker sind heute davon überzeugt, dass Atome und Moleküle reale Objekte sind. Der Weg zu dieser Erkenntnis war lang und beschwerlich. Der amerikanische Nobelpreisträger Richard Feynman wurde einmal gefragt, welches die wichtigste Entdeckung der Physik des 20. Jahrhunderts gewesen sei. Feynman antwortete ohne zu zögern, es sei die Entdeckung, dass die Atome wirklich existieren. Der Weg dorthin war allerdings weit und mühsam. Die allerwichtigsten Stationen dieser Reise werden in diesem Artikel beschrieben.

Am Anfang war die Philosophie

Am Anfang der Atomphysik war die philosophische Frage nach dem Grund alles Seienden. Was verbirgt sich hinter der Vielfalt der Erscheinungen? Diese Frage wollten die ersten Philosophen, die sogenannten Vorsokratiker, beantworten. Sie suchten vernünftige Antworten und lehnten die traditionellen Mythologien ab. Entscheidend für die Atomtheorie waren die Philosophen Parmenides (um 500 v. Chr.) und Demokrit (460 v. Chr. bis etwa 400 v. Chr.). Parmenides stellte das Problem, Demokrit entwickelte die Atomhypothese, um dieses zu lösen. Er hatte allerdings mächtige Gegner: Platon und Aristoteles. Deren anti-atomistische Position sorgte dafür, dass die Atomhypothese über 2000 Jahre hinweg relativ bedeutungslos in Philosophie und Naturwissenschaft war.

Vom Sein des Parmenides zum Atom des Demokrit

Parmenides analysierte den Begriff des Seins und den des Nichtseins. Für ihn sind Sein und Nichtsein scharf getrennt. Wenn aber das Sein und das Nichtsein voneinander getrennt sind, dann kann das Sein nicht vernichtet werden. Denn Vernichtung ist eine Form des Nichtseins. Also muss das Sein unveränderlich sein. Weil die Dinge der Welt sich aber dauernd verändern, ist die sichtbare Welt eine Mischung aus Sein und Nichtsein, also vom Standpunkt des wahren Seins aus betrachtet eine Täuschung.

Demokrit akzeptierte das Argument des Parmenides, wollte aber dennoch die Realität der sichtbaren Welt retten. Er sagte, das Sein des Parmenides sei tatsächlich unveränderlich. Es bestehe nämlich aus kleinsten, unsichtbaren und unveränderlichen Teilchen. Das griechische Wort für „un-teilbar“ ist „a-tomos“, weshalb Demokrit seine Teilchen „Atome“ nannte. Die sichtbaren Körper entstehen, wenn die Atome sich zu großen Verbänden vereinigen. Sie zerfallen, wenn diese Atomverbände sich auflösen. So konnte Demokrit das Sein des Parmenides bewahren und dennoch die Realität der sichtbaren Welt retten. Die im Altertum dominierenden Philosophen lehnten diese Überlegungen allerdings ab. Seit dieser Zeit fragen sich die Naturforscher: Gibt es die Atome wirklich oder gibt es sie nicht?

Vom chemischen Element zur Atomhypothese

Das Blatt wendete sich in der Neuzeit langsam mit den Entdeckungen der Chemie zugunsten der Atomhypothese. Herausragende Figuren in diesem Zusammenhang sind Lavoisier (1743-1794), Proust (1754-1826) und Dalton (1766-1844). Sie entwickelten die Vorstellung von der Existenz chemischer Elemente und entdeckten wichtige Gesetze, wie das der konstanten Proportionen und das der multiplen Proportionen. Es war Dalton, der die Atomhypothese benutzte, um diese Gesetze zu erklären. Das Gesetz der konstanten Proportionen zum Beispiel besagt, dass die chemischen Elemente einer bestimmten Verbindung stets in gleichen Massenverhältnissen auftreten. Zum Beispiel besteht die Verbindung Natriumchlorid zu etwa 39% aus Natrium und 61% aus Chlor. Die Deutung im Sinne Daltons lautet: Natriumchlorid ist eine Verbindung aus einer jeweils gleichen Anzahl von Natrium-und Chloratomen. Dabei verhält sich die Masse des einzelnen Natriumatoms zu der des Chloratoms entsprechend dem gefundenen Massenverhältnis.Die Atomhypothese war ab jetzt mit der Chemie verbunden. Atome sind nun Teilchen, die mit Hilfe von chemischen Methoden unteilbar sind. Man beachte die Begriffsverschiebung.

Vom Wärmestoff zur Bewegung der Atome

Die Frage nach der Natur der Wärme hat die Menschen immer schon beschäftigt. Zur Zeit Lavoisiers war die Caloricum-Theorie der Wärme vorherrschend. Demnach ist Wärme eine elastische Flüssigkeit, die beim Wärmeaustausch von einem Körper auf den anderen übertragen wird. Der Chemie-Professor Joseph Black (1728-1799) entwickelte diese Vorstellung, um die Tatsache zu erklären, dass sich berührende Körper mit der Zeit die gleiche Temperatur erreichen. Die Caloricum-Theorie versagte aber, wenn es darum ging, den Zusammenhang von Reibung und Wärme zu erklären. Führend bei diesen Experimenten war Benjamin Thompson (1753-1814), auch Graf Rumford genannt. Graf Rumford formulierte die Theorie, dass Wärme nichts anderes ist als Bewegungsenergie der Atome. Nach Rumfords Ansicht kann nur diese Hypothese den Zusammenhang von Reibung und Wärme erklären. Wenn aber Wärme nichts anderes ist als Bewegung der Atome, dann folgt fast zwangsläufig, dass die Atome auch wirklich existieren. Der Streit um die Existenz der Atome spitzte sich zu.

Das Atom als reales Objekt oder das Atom als denkökonomisches Modell

Im 19. Jahrhundert kam es zum Kampf der Giganten. Ludwig Boltzmann (1844-1906) vertrat auf der Basis seiner Forschungen zur Wärmelehre und der statistischen Mechanik die Meinung, dass Atome reale Objekte der Natur sind. Ernst Mach (1838-1916) bekämpfte diese Auffassung als metaphysische Spekulation. Er war der Ansicht, es sei die Aufgabe der Physik, Experimente mit Hilfe von Modellen zu beschreiben, wobei er diesen Modellen eine bloße denk-ökonomische Funktion zuschreiben wollte. Atome waren für ihn also Gedankengebilde, mit denen man Experimente erklären konnte. Eine darüber hinaus gehende reale Existenz durfte man ihnen nicht zuschreiben. Er kritisierte den Atom-Realismus Boltzmanns also auf der Basis einer positivistischen Erkenntnistheorie. Boltzmann starb durch Suizid, was aber wohl auf ein körperliches Leiden zurückzuführen war. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts verschoben sich die Gewichte eindeutig zugunsten des Atom-Realismus. Denn die Atom-Hypothese war so erfolgreich bei der Deutung der Experimente, dass der Atom-Realismus immer mehr Anhänger gewann.

Albert Einstein, die Brownsche Molekularbewegung und die „Sichtbarkeit“ der Moleküle

Zu diesen Erfolgen gehört vor allem die Bestimmung der Avogadro-Konstante mit verschiedenen Methoden. Die Avogadro-Konstante gibt die Anzahl der Atome beziehungsweise die Anzahl der Moleküle in einer bestimmten Menge eines Stoffes an. Einstein lieferte selbst mehrere Methoden zur Bestimmung dieser Konstanten. Besonders wichtig ist diejenige, welche aus seiner Deutung der Brownschen Molekularbewegung folgt. 1828 berichtete der Botaniker Robert Brown über die Zickzack-Bewegung kleiner, aber sichtbarer Teilchen, die in Wasser suspendiert sind. Einstein deutete diese Zickzack-Bewegung aus den Stößen, die diese Teilchen von den Molekülen des Lösungsmittels erhalten. Er leitete eine Formel her, mit der aus direkt meßbaren Größen der Zickzack-Bewegung die Avogadro-Konstante berechnet werden kann. Es stellte sich heraus, dass der so bestimmte Wert mit den durch andere Methoden festgestellten Werten im Prinzip übereinstimmt. Seit Einstein ist es also möglich, Atome und Moleküle „direkt“ mit dem Mikroskop zu beobachten.

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