Niels Stensen – Geologe, Anatom, Gegenreformator

Der Däne Niels Stensen war einer der bedeutendsten Naturwissenschaftler des 17. Jahrhunderts – er konvertierte zum Katholizismus und wurde Bischof.

Als Niels Stensen, auch bekannt unter der latinisierten Form seines Namens Nikolaus Steno oder Stenonius, 1638 in Kopenhagen geboren wurde, rechnete man dort noch nach dem alten Julianischen Kalender: und so gibt es zwei überlieferte Geburtdaten: den 1. Januar nach damaliger, den 11. Januar nach heutiger (gregorianischer) Zeitrechnung. Weitaus weniger zweifelhaft ist Stensens Wirkung in der Wissenschaft: er kann als einer der bedeutendsten Männer des 17.Jahrhunderts gelten, Begründer mehrerer Disziplinenund war vielen seiner Zeitgenossen weit voraus.

Das Barockgenie Nikolaus Steno

Stensen, aus einer Familie von Goldschmieden stammend, war unzweifelhaft ein Genie, dessen Begabungen auf vielerlei Gebieten lag, beziehungsweise erlaubte es ihm sein analytischer Verstand, sich in zahlreiche Disziplinen einzuarbeiten, um dort jeweils geradezu Revolutionäres zu vollbringen. Allein die Anzahl der von ihm aktiv und passiv beherrschten Sprachen war schon beeindruckend: neben seiner Muttersprache Dänisch und den Klassikern Latein, Hebräisch und Griechisch, konnte er sich in Wort und Schrift fließend auf Holländisch, Französisch, Italienisch, Deutsch und Englisch unterhalten. Eine Vielfalt, die ihm bei seinen zahlreichen Reisen und wechselnden Anstellungen sehr zugute kam.

Stensen der Anatom

Seine ersten Sporen verdiente sich der begabte Mediziner in Holland als Student der Anatomie, einer eher jungen Disziplin. Modisch war noch die theoretische Anatomie nach Descartes – auch Stensen bewunderte die Methodik des großen Franzosen, doch musste er sehr bald feststellen, dass sie im Falle der Anatomie nicht mit den empirischen Daten übereinstimmte. Diesen Widerspruch gegen den vorherrschenden Zeitgeist zu veröffentlichen war äußerst mutig, doch stellte der junge Däne die Erfahrung über die Theorie: und der menschliche Körperbau – in diesem Falle der Aufbau des Gehirns – strafte Descartes’ Ideen Lügen. Trotzdem lobte Stensen weiterhin dessen skeptischen Ausgangspunkt, auch war er selbst bereit zuzugeben, dass der derzeitige Stand vieler Naturwissenschaften ehrlicherweise noch so unausgereift war, dass viele Fragen erst in weiter Zukunft beantwortet werden könnten und nicht jetzt schon ohne Grundlagen spekuliert werden solle.

Seine Erfolge in der Anatomie waren bedeutend: allein was den menschlichen Körper betrifft erweiterte Stensen das Wissen seiner Zeit um ein Vielfaches. Er entdeckte komplett Neues wie den Ohrspeicheldrüsengang – der nach ihm benannt wurde – beschäftigte sich mit dem Gehirnaufbau und den Muskeln und konnte den Beweis führen, dass das menschliche Herz eben lediglich ein Muskel ist und nicht wie allgemein angenommen der Sitz der Seele. Seine Studien beschränkten sich allerdings nicht nur auf den Menschen, auch in der Tierwelt gehen einige anatomische Entdeckungen auf ihn zurück.

Niels Stensen in Florenz am Hofe der Medici

Auf den jungen Dänen aufmerksam geworden lud Fürst Ferdinand II. de Medici Stensen an seinen Hof in Florenz, wo es eine der aktivsten Akademien der Wissenschaft des 17.Jahrhunderts gab. Stensen konnte mit führenden Köpfen seiner Zeit arbeiten und schon bald erweiterten sich seine Interessengebiete. Gleich zwei revolutionäre Ansichten gehen auf ihn zurück: die Landschaft der Toskana veranlassten Stensen zu der Vermutung, dass die Erde sich in Schichten aufbaut, die teils allerdings verschoben seien: die Sedimenttheorie war geboren.

Der Begründer der Paläontologie

Noch weit reichender war jedoch Stensen damit zusammenhängende Erkenntnis, dass bestimmte Gesteinsformation und Fossilien, die nun im Gebirge zu finden waren, ursprünglich vom Meeresboden stammen mussten. Dies widersprach jeglicher damals vorhandener Vorstellung, doch Stensens Belege waren eindeutig. Auch die Paläontologie geht somit auf ihn zurück. Der gläubige, 1667 inzwischen zum Katholizismus konvertierte Niels Stensen machte damit der biblischen Schöpfungsgeschichte auf Dauer den Garaus – eine Ironie, die so manchem Kreationisten nicht gefallen dürfte.

Der Neukatholik, der einem Ruf seines Monarchen folgte und zurück in Kopenhagen als königlicher Anatom arbeitete, hatte dort einen schweren Stand. Im streng protestantischen Dänemark konnte er weder öffentlich – etwa an der Universität – wirken, noch seine Religion unbehelligt ausüben. Stensen war darüber nicht glücklich und gab die Stellung bald wieder auf. Er ging als Prinzenerzieher zurück nach Florenz. Dort wurde er bald zum Priester – ohne vorangegangenes Theologiestudium, aber nach sorgfältiger Prüfung – geweiht.

Stensen als Bischof und Gegenreformator

Zehn Jahre nach seiner Konversion war Stensen nicht nur Priester geworden, sondern wurde nun zum Bischof geweiht und vom Papst zum „Apostolischen Vikar des Nordens“ ernannt. Seine Aufgabe: die Betreuung – und mögliche Rückführung – der norddeutschen und skandinavischen Gebiete. Eine aussichtslose Mission. Stensen ging nach Hannover, wo zu dieser Zeit ein katholischer Herzog herrschte, und wohnte dort bescheiden in der Diaspora. Obwohl am Hofe hoch angesehen, war das Wirken Stensen erwartungsgemäß bis auf die Betreuung der winzigen katholischen Gemeinde und einiger Übertritte eher fruchtlos. Mit dem Tode des katholischen Herzogs, dem wieder ein protestantischer Herzog folgte, war seine Aufgabe beendet.

Stensen wurde ins katholische Münster versetzt und arbeitete dort vorübergehend als Weihbischof, doch das Bistum befand sich nach dem Dreißigjährigen Krieg in einem bedauernswerten zustand. Nach einiger Zeit widmete sich der Däne, der auch gelegentlich in seine alte Heimat – die zu seinem Missionsgebiet gehörte – zurück kam, wieder seinem ursprünglichen Auftrag: erst in Hamburg, dann in Schwerin, wo er auch 1686 im Alten von 48 Jahren verstarb.

Niels Stensen als Kind und Wunder seiner Zeit

Niels Stensen, der große Gelehrte, der in Holland mit Spinoza und in Hannover mit Leibniz, aber auch anderen berühmten Zeitgenossen zusammentraf, hatte sich zum Ende seines Lebens hin völlig dem Katholizismus und seiner Aufgabe als Bischof verschrieben, was zum Beispiel gerade Leibniz bedauerte. Obwohl vom Sinn und Zweck der Gegenreformation zutiefst überzeugt, war er ein offener und von den Fanatismen des konfessionellen Zeitalters freier Asket, dessen Sanftheit, freundliches Wesen und Ausgeglichenheit ihm auch von seinen Gegnern zugestanden wurde. So wurde er sogar im lutherischen Schweriner Dom begraben, bevor sein ehemaliger Gönner de Medici ihn nach Florenz überführen ließ.

Dort liegt er in San Lorenzo begraben. Da ein Seligsprechungsprozess seit Jahrhunderten am Laufen war, wurde kurz nach dem Krieg eine Untersuchung seines Grabes in Auftrag gegeben. Die Kommission öffnete allerdings das falsche Grab. Als der Irrtum später bemerkt wurde und man nun die richtige Stätte begutachtete, musste man feststellen, dass dem teilweise noch bekleideten Skelett Stensens der Schädel fehlte – er wurde bis heute nicht aufgefunden. Dreihundert Jahre nach seinem Tod, am 23.Oktober 1988 wurde Niels Stensen schließlich von Papst Johannes Paul II. selig gesprochen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert