Wer hat die Fingerabdrücke erfunden

Fingerabdrücke

Fingerabdrücke – Geschichte des Erfolgsmodells Daktyloskopie. Die Erkenntnis über die individuellen unveränderlichen Papillarlinien stieß in der Kriminologie zunächst auf Ablehnung. Spektakuläre Fälle änderten dies.

Die Entdeckung, dass die menschliche Haut an den Innenflächen der Hände ein unveränderliches Muster trägt und zudem ganz individuell von Fingerlinien durchzogen ist, machten unabhängig voneinander drei Männer. William Herschel 1877 in Indien und Henry Faulds 1879 in Japan beobachteten, dass in diesen in diesen Ländern ein eingefärbter Fingerabdruck als Unterschrift auf Dokumenten verwandt wurde. Beider Forschungen kamen zu der gleichen Schlussfolgerung: anhand des Fingerabdrucks konnte eine bestimmte Person identifiziert werden.

1888 machte der deutsche Tierarzt Wilhelm Eber in einem Berliner Schlachthaus die gleiche Entdeckung. Er konnte die blutigen Abdrücke auf Handtüchern sicher den Benutzern zuordnen. Alle drei Männer schlossen aus ihren Beobachtungen, dass sich Fingerabdrücke als ideale Identifizierungsmethode im polizeilichen Erkennungsdienst eignen.

Anthropometrie

Die Erkenntnisse über den individuellen Fingerabdruck trafen bei den hiervon unterrichteten Behörden auf taube Ohren. Hatte man doch gerade weltweit die Vermessung von Körperteilen erfasster Straftäter eingeführt (als Bertillonage nach ihrem „Erfinder“ Bertillon benannt). Die erhobenen Daten wurden auf Karteikarten notiert und diese nach speziellen Kriterien katalogisiert. Wiederholungstäter konnten so schnell gefunden und überführt werden. Je mehr Messdaten vorlagen, desto präziser war die Zuordnung. Das Manko dieser Methode war freilich, dass nur ganz exakte Messungen brauchbar waren. Trotzdem konnten mit dieser Vorgehensweise viele Täter überführt und spektakuläre Fälle geklärt werden. An einem neuen Verfahren schien kein Bedarf zu sein.

Sir Francis Galton

Ein britischer Autodidakt auf dem anthropologischen Sektor sollte jedoch der Daktyloskopie den Weg ebnen. Sein Interesse galt vornehmlich der Bertillonage bis er bei seinen Forschungen auf Aufsätze von Herschel und Faulds in der Zeitschrift Nature stieß. Galton erkannte schnell, welches Potenzial die „Fingerprints“ bargen. Er begann, Fingerabdrücke zu sammeln und die Papillarlinien zu erforschen. Obwohl jeder Abdruck unterschiedlich war, kamen in dem Gewirr der Linien immer ähnliche Grundmuster vor. Galton legte vier Grundmuster fest, von denen sich alle weiteren Muster ableiten ließen. Der Anfang für eine Katalogisierung war gemacht. Seine Erkenntnisse schilderte Galton 1892 in einem Buch mit dem Titel „Fingerprints“.

Juan Vucetich

Im Jahr 1891 wurde Jan Vucetich, ein Verwaltungsangestellter der Provinzpolizei von Bueonos Aires beauftragt, das neue Identifizierungssystem aus Frankreich, die Bertillonage, in Argentinien einzuführen. Bei den hierfür erforderlichen Unterlagen befand sich auch ein Bericht über Galtons „fingerprints“. Diese Identifizierungsmethode überzeugte Vucetich weit mehr als das Vermessungsmodell, welches er Subalternen überließ, um sich den Fingerabdrücken ganz zu widmen. Auch er legte eine Abdrucksammlung an, studierte die Muster der Papillarleisten und teilte sie in Typen ein, welche er mit Buchstaben und Zahlen versah und sie somit einer Registratur unterwerfen konnte. Seine Bemühungen fanden bei seinen Vorgesetzten indes kein Interesse, ja sogar Ablehnung. Ein spektakulärer Mordfall änderte jedoch alles: zwei Kinder einer alleinstehenden Mutter waren brutal ermordet worden. Tatverdächtige konnten trotz intensiver Verhöre nicht überführt werden. Ein Polizist, der von Vucetichs Fingerabdruckexperimenten gehört hatte, konnte anhand eines blutigen Fingerabdrucks die Mutter als Mörderin überführen. Am 18.07.1892 wurde der erste Fall mit Hilfe der Daktyloskopie aufgeklärt. Es sollte allerdings noch bis zum Juni 1896 dauern, bis dieses System offiziell anerkannt und die Bertillonage abgeschafft wurde. Argentinien war somit das erste Land, welches den Fingerabdruck zur Grundlage des polizeilichen Erkennungsdienstes machte. Es folgten 1903 Brasilien und Chile, 1906 Bolivien, 1908 Peru, Paraguay und Uruguay. Bis das System in Europa und den USA eingeführt wurden, verging noch einige Zeit.

Edward Richard Henry

Edward Richard Henry kam 1873 als britischer Generalinspekteur Bengalens nach Indien. Wie sein Vorgänger Herschel machte er dieselben Beobachtungen bezüglich der Fingerabdruck-Signatur. Nach Studien von Galtons Buch widmete er sich dem Problem, wie eine Abdrucksammlung so zu katalogisieren sei, dass identische Bilder leicht aufzufinden seien. Er kam zu den gleichen Ergebnissen wie Galton und Vucetich. De Grundmuster der Linien wurden mit Buchstaben versehen und über das Abdruckbild ein Raster gelegt, durch welches sich die Linien leicht auszählen ließen. Mit seinem System ließen sich die Fingerabdrücke relativ einfach identifizieren und zudem die gesammelten Bilder katalogisieren. Im Juli 1898 wurde die Daktyloskopie in ganz Britisch-Indien eingeführt.

Europa und die USA

Nachdem einige spektakuläre Verbrechen mit Hilfe der Daktyloskopie aufgeklärt werden konnten und ein brauchbares Katalogisierungsmodell geschaffen war, setzte sich diese Identifizierungsmethode auch in Europa durch. England führte die Daktyloskopie 1900 ein, 1902 zogen Dänemark, Österreich, Spanien und Ungarn, 1903 Berlin, Hamburg und Sachsen, 1906 Italien, Norwegen, Russland und Schweden nach. Erst 1911 folgten die USA.

1948 wurde in England die Ermordung eines kleinen Mädchens durch eine Reihenuntersuchung aller männlichen Einwohner von Blackburn aufgeklärt. Eine Registrierung der Gesamtbevölkerung in Großbritannien wurde ebenso wie in Argentinien erwogen und wieder verworfen. Eine Idee, welche J. Edgar Hoover, Präsident des FBI energisch umzusetzen suchte.

Unauslöschliches Siegel

In den USA, einem Land, das keine persönlichen Kennkarten hatte und jedermann seinen Namen nach Belieben ändern konnte, waren die Fingerabdrücke das einzige Mittel, Wiederholungstäter eindeutig zu identifizieren. Einschlägig vorbestrafte Täter suchten nach Wegen, die Haut ihrer Fingerspitzen zu ändern. So wurde etwa die Haut verätzt oder sogar gänzlich entfernt. Äußerst schmerzliche Prozeduren, welche nicht einmal zum Erfolg führten. Mit fortschreitender Heilung stellten sich die charakteristischen Linien wieder ein: ein Merkmal, unveränderlich von der Geburt bis zum Tod und sogar darüber hinaus.

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