Wer hat Bionik erfunden

bionik

Der österreichisch-ungarische Botaniker, Mikrobiologe, Naturphilosoph und Künstler Rudolf Franze (1874-1943) ist einer der Wegbereiter der Bionik.

Bionik ist ein Kunstwort, welches sich aus der ersten Silbe des Wortes „Biologie“ und der letzten Silbe des Wortes „Technik“ zusammensetzt. Die recht junge interdisziplinäre Wissenschaft versucht die Lösungen der Natur auf technische Anwendungen zu übertragen. Kurz gesagt meint Bionik „das Lernen von der Natur für eine verbesserte Technik“. Dabei geht es nicht einfach um das Kopieren von natürlichen Prozessen, sondern um eine Übertragung des zu Grunde liegenden natürlichen Prinzips auf einen technischen Sachverhalt. Eine echte bionische Erfindung, wie z. B. der Lotus-Effekt von schmutzabweisenden Fassadenfarben, hat stets ein natürliches Vorbild (hier die Lotuspflanze).

Im englischsprachigen Raum verwendet man oft anstelle des deutschen Silbensubstrates den Begriff „biomimetics“ (zu Deutsch: Biomimetik). Der Wortstamm „mimesis“ leitet sich aus dem Griechischen ab und bedeutet „Nachahmung“.

Wandlung des Begriffs „Biotechnik“

Raoul Heinrich Francé verwendete das Wort „Biotechnik“ für die Lösung technischer Probleme durch biologische Vorbilder. Spricht man heute von Biotechnik oder im weiteren Sinne von Biotechnologie, so verbindet man mit diesem Begriff vorrangig mikro- und molekularbiologische sowie biochemische Themen. Deshalb hat sich die Bezeichnung „Technische Biologie“ – ein Teilgebiet der Biologie – für die Erforschung natürlicher Abläufe durchgesetzt. Aus den Ergebnissen dieser Grundlagenforschung lassen sich dann in einem zweiten Schritt ggf. Konstruktionsmodelle für technische Erfindungen ableiten, die letztlich zu einer bionischen Erfindung heranreifen.

Analogien

Francé kam zu dem Schluss, dass aus gleichen Notwendigkeiten ähnliche Lösungen resultieren. Damit ist gemeint, dass jeder Funktion eine bestimmte Form entspricht. Man könnte auch sagen: Ähnliche Probleme führen zu ähnlichen Lösungen. Diesen Sachverhalt nennt man Analogie. In der Biologie spricht man von analogen Organen, wenn diese sich in ihrer Funktion ähneln und gleichartig aussehen, obwohl sie stammesgeschichtlich unabhängig voneinander entstanden sind. Die Existenz von analogen Organen weist auf ähnliche Lebensbedingungen und Lebensweisen hin. Besetzen zwei Organismen dieselbe ökologische Nische, so entwickeln sie automatisch ähnliche Formen und Funktionsweisen.

So nutzt der Mensch oft Gerätschaften, die zufällig natürlichen Strukturen gleichen. Ein Beispiel hierfür ist das Werkzeug Zange und der Oberkiefer des Ameisenlöwen. Beide Hilfsmittel sehen ähnlich aus und haben die gleiche Funktion, hier: kneifen. Das Material, aus dem die Zangenwerkzeuge bestehen, ist jedoch unterschiedlich.

Salzstreuer nach dem Vorbild der Mohnkapsel

Der Bodenkundler Francé erkannte die Bedeutung der Mikroorganismen für die Landwirtschaft. Als er im Jahre 1919 Kleinstlebewesen auf einem Acker zwecks wissenschaftlicher Untersuchungen gleichmäßig verteilen wollte, nahm er sich die Samenkapsel des Mohns zum Vorbild und erfand einen speziellen (Salz-) Streuer. Die Mohnkapsel streut ihre Samen durch die spezielle Anordnung von kleinen Löchern gleichmäßig aus, wenn die Kapsel vom Wind hin und her bewegt wird.

Erstes bionisches Patent

Francé versuchte als Erster ein Patent für eine bionische Erfindung, seinen Salzstreuer nach dem Vorbild der Mohnkapsel, anzumelden. Dies war nicht selbstverständlich, denn als Voraussetzung für eine Patentanmeldung galt damals wie heute die Neuheit der Erfindung. Da aber die Natur diese Erfindung ja bereits erschaffen hatte, war eine Zulassung des Patents fragwürdig. Doch Francé erhielt das Patent. Somit ebnete dieses erste Patent den Weg für den Forschungszweig der Bionik. Denn technische Produkte müssen am Markt bestehen und entsprechend geschützt sein. Ohne wirtschaftliche Vorteile ist auch eine bionische Erfindung nicht umsetzbar.

Francé, der Naturschützer

Bereits 1924 wies Francé auf die Folgen der Industrialisierung hin. Er war von der Vollkommenheit der Natur überzeugt und erkannte die Gesetze und Kreisläufe der Natur. So schrieb Francé in Das Buch des Lebens: „Die Menschen können Flüsse durch Abwässer vergiften, die Luft durch Rauch und Abgase unatembar machen, aber sie können die Naturgesetze nicht zerstören, ohne selbst zerstört zu werden.“

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