Wer erfand die Blindenschrift

Blindenschrift

Die Schrift der Blinden. Brailleschrift: Erhabene Punkte auf einem dicken Papier, das sieht zunächst einmal ziemlich verwirrend aus. Welche Systeme stecken dahinter?

Vor der Erfindung der heutigen Blindenschrift gab es für blinde Menschen weltweit kein Schriftsystem, das ihnen problemlos zugänglich war. Man versuchte immer wieder, die Schrift der Sehenden nachzubilden und tastbar zu machen, aber die Ergebnisse waren wenig zufriedenstellend, da der Blinde dadurch weder mühelos schreiben, noch fließend lesen konnte. So gab es zum Beispiel die 1807 von Johann Wilhelm Klein, einem Pionier in der Bildung für blinde Menschen, erfundene Stachelschrift.

Mit einem sogenannten Stacheltypenapparat wurden lateinische Buchstaben seitenverkehrt ins Papier gedruckt. So konnten Sehende die Schrift einfach lesen, Blinde mussten jedoch jeden der riesengroßen Buchstaben einzeln abtasten, was ein schnelles Lesen unmöglich machte. Es wurde klar, dass ein gewisses Lesetempo für Blinde nur erreicht werden konnte, wenn man die vorhandenen Schriftzeichen vereinfacht. Im Jahre 1830 gab es allein in England 21 verschiedene vereinfachte Schriftsätze für Blinde. Am meisten verbreitet war lange Zeit das Alphabet von William Moon, das 1847 veröffentlicht wurde. Eine radikale Veränderung brachte das Alphabet von Louis Braille, ein Franzose, der selbst im Alter von 3 Jahren erblindete. Er verzichtete auf jegliche Bögen und Striche und entwickelte ein Schriftsystem, das rein aus Punkten bestand. Die Idee übernahm er von einem französischen Offizier namens Charles Barbier, der eine 12-Punkte- und Silbenschrift erfunden hatte, die als militärische „Nachtschrift“ im Einsatz war. Erst 1880 wurde die Braille’sche Punkteschrift, die heute noch verwendet wird, weltweit anerkannt. So konnte Louis Braille seinen Triumph nicht mehr miterleben, nachdem er 1853, im Alter von 43 Jahren, an Tuberkulose starb.

Die Braille’sche Punkteschrift

Die Braille’sche Blindenvollschrift besteht aus 6 Punkten, die paarweise untereinander angeordnet sind. Verschiedene Punkte und Punktekombinationen ergeben einzelne Zeichen und Buchstaben. Die Punkte sind durchnummeriert. Die Punktekombinationen für die einzelnen Buchstaben sind in allen Ländern und Sprachen einheitlich, natürlich kommen in manchen Sprachen noch ein paar Buchstaben dazu. Zum Beispiel gibt es im englischen Sprachraum kein Ö, Ü oder Ä. Auch Sonderzeichen wie Komma, Punkt und anderes variiert in manchen Ländern. In der Punkteschrift gibt es keine Groß- und Kleinbuchstaben, allerdings gibt es ein Großschreibzeichen, welches vor das groß zu schreibende Wort gestellt wird. Auch das Großschreibzeichen ist in diversen Ländern unterschiedlich.

Wie wird geschrieben?

Die älteste Form zum Schreiben von Braille wird mit Hilfe eines Griffels und einer Schreibtafel heute fast nicht mehr praktiziert. In vielen Ländern wird diese Technik gar nicht mehr gelehrt. Die Punkte müssen dabei mit dem Griffel seitenverkehrt von rechts nach links ins Papier eingeprägt werden. der Text kann dann erst gelesen werden, wenn das Blatt aus der Tafel genommen wird. Mit der heute üblichen Braillemaschine ist das viel einfacher. Sie ähnelt einer Schreibmaschine, nur mit weniger Tasten. Es gibt 6 Tasten für die einzelnen Punkte und eine Abstandtaste. Und natürlich Hebel und Tasten, um in die nächste Zeile zu gehen oder einen Schritt zurück zu wandern. Das Papier wird wie bei einer Schreibmaschine eingespannt und die seitenrichtig von unten eingeprägten Buchstaben können gleich gelesen werden. Beim Arbeiten am Computer verwendet der Blinde die normale Tastatur. Zum Lesen ist am Computer eine Braillezeile angesteckt, die aus einzelnen elektrischen Braillemodulen besteht. Diese Braillemodule bilden die Punkte der Buchstaben und Zeichen durch bewegliche Stifte nach, die gehoben und gesenkt werden. Wegen der ganzen Sonderzeichen am Computer gibt es eine eigene Computerbrailleschrift, die aus 8 Punkten besteht. In der Blindendruckerei verwendet man Punziermaschinen und Plattpressen. Buchstabe für Buchstabe wird auf eine Metallplatte geprägt und so können mit diesen Matrizen Papierseiten und Punktschrift erzeugt werden.

Sonderschriften

In der Brailleschrift ist die Anordnung der Punkte nur linear auf einer Grundlinie möglich. Alle Zeichen müssen immer hintereinander angeordnet werden. Dies verursacht eine enorme lineare Ausdehnung von Texten und ein Buch ist in Braille etwa 20 Mal dicker als in Schwarzschrift. deswegen wurde eine Kurzschrift eingeführt, die blinde Schüler meist nach der Grundschule lernen. Es werden Wörter, Wortstämme, Lautgruppen und Vor- und Nachsilben gekürzt, sodass sie nur mehr aus wenigen Punkten bestehen. Diese Kurzschrift ist natürlich in den unterschiedlichen Sprachen verschieden und kann nicht einheitlich sein. Zusätzlich dazu gibt es aber noch eine Braille-Stenografieschrift, die aber nur mehr selten verwendet wird. Es gibt eine spezielle Mathematikschrift, die in Marburg entwickelt wurde. Sie besteht aus 6 Punkten und unendlich vielen Sonderzeichen. Die Zahlen hingegen sind relativ einfach, da sie den Buchstaben entsprechen und einfach nur ein Zahlenzeichen davor gesetzt wird. So ist die Zahl 1 ganz einfach Zahlenzeichen und der Buchstabe A. Gemeinsam mit der Mathematikschrift wurde eine Chemieschrift entwickelt, die auch wieder aus zusätzlichen Sonderzeichen besteht. All diese Sonderschriften wurden nach dem Tod von Louis Braille erfunden. Als einzige die Noten- und Musikschrift wurde noch von Louis Braille entwickelt. Sie ist allerdings sehr kompliziert in ihren Regeln.

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