Wer erfand das Alphabet?

Schrift

Ein Schriftsystem erobert die Welt. Es existiert eine große Vielfalt an verschiedenen Alphabeten, aber sie alle teilen in der ein oder anderen Form den gleichen Ursprung.

Das Alphabet ist ein Schriftsystem, in dessen Genuss mittlerweile der größte Teil der Welt gekommen ist. Es ist im wörtlichen Sinne das ABC der Bildung, ohne das der Alltag kaum vorstellbar ist. Aber diese geschichtsträchtige Errungenschaft der Menschheit war nicht immer der Allgemeinheit zugänglich. Sie hat einen räumlichen und einen zeitlichen Ausgangspunkt: Sinai-Halbinsel, 2.Jahrtausend v.Chr..

Was war davor?

Auch vor dem Alphabet gab es mehrere Schriftsysteme, die jedoch alle viel umständlicher sind und dem Lautstand der meisten Sprachen nicht gerecht werden. Eines von ihnen ist die mesopotamische Keilschrift. Sie arbeitet mit Silben, Determinativen und Wortzeichen, ist nicht leicht zu lernen, schwer zu schreiben und war wohl am besten zugeschnitten auf diejenige Sprache, für die sie erfunden wurde. Wörter wie „Strom“ sind für die Keilschrift ein wirklich undankbares Pflaster, da eine Silbenschrift zwei oder drei aufeinanderfolgende Konsonanten nicht direkt wiedergeben kann.

Die ägyptischen Hieroglyphen enthalten zwar alphabetische Elemente, jedoch wurden diese nie zu einer selbständigen Schrift ausgebaut. Das ganze System funktioniert wie ein Rebus, ist kompliziert und nur sehr wenigen zugänglich. Die chinesischen Ideogramme existieren zu Tausenden; das System ist sehr alt und in seinem Ursprung eine reine Bilderschrift. Die sogenannten Linear-A- und Linear-B-Schriften sind recht unbequem; mit der letzteren hatten die alten Griechen ihre Qual, bevor das Alphabet sie erreichte. Das Alphabet bleibt somit das bequemste, flexibelste, eleganteste und universellste Schriftsystem der Welt.

Die Herkunft des Alphabets

Beinahe wären es die Ägypter gewesen, aber nur beinahe! Einige ägyptische Wörter waren so kurz, dass sie aus nur einer Silbe bestanden. Die für sie stehenden Zeichen hatten folglich den Lautwert einer Silbe und wurden für die Schreibung anderer Wörter benutzt, die den Anfangskonsonanten dieser Silbe enthielten. Jedoch erkannten die alten Ägypter nicht, welches Geschenk ihnen da in den Schoß gefallen war, und hielten stattdessen noch viele Jahrhunderte an ihrem umständlichen System fest.

Aber dieses Ein-Zeichen-ein-Laut-Prinzip muss ein Sprecher des sogenannten Westsemitischen (Dialekte davon sind Hebräisch, Phönizisch, Moabitisch usw.) bemerkt und ausgebaut haben. Wir wissen das, weil die ältesten alphabetischen Inschriften in dieser Sprache verfasst sind, und weil die Namen der Zeichen mit der ihnen entsprechenden Bedeutung dieser Sprache entstammen. Zum Beispiel geht unser „A“ trotz seiner mittlerweile umgedrehten und stilisierten Form auf das Bild eines Rinderkopfes zurück, da im Westsemitischen das Wort „aleph“ die Bedeutung „Rind“ trug. Zudem fand man die archaischsten Inschriften eingraviert in Felsen auf der Sinai-Halbinsel. Der Erfinder des Alphabets beherrschte also vermutlich das ägyptische Schreibsystem, hatte aber Westsemitisch als Muttersprache. Genaueres wissen wir nicht.

Wann trat das Alphabet seinen Siegeszug an?

Die Ausdehnung des Alphabets auf Europa begann direkt nach dem sog. „dunklen Zeitalter“, also im 9.-8. Jh. v.Chr.. Man nimmt an – und die altgriechischen Autoren bezeugen dies von ihrer Seite -, dass die Griechen ihr Alphabet in abgewandelter Form von den Phöniziern übernommen haben. Die Römer erhielten ihr Alphabet, das wir heute das „lateinische“ nennen, anscheinend durch die Vermittlung der Etrusker. Die Griechen und Römer sorgten später für die Verankerung des Alphabets in ganz Europa.

Das unterschätzte Weltwunder

Die meisten Europäer haben das Alphabet sozusagen schon im Blut und können sich nicht vorstellen, dass daran etwas schwierig sein sollte. Doch leicht ist es nur, wenn einem das Prinzip beigebracht wird. Wenn nicht, dann ist es alles andere als selbstverständlich, die eigene Muttersprache, die wie eine zweite Haut an einem haftet, in ihre Einzellaute zu zerlegen. Die Geschichte legt nahe, wie wenig selbstverständlich das ist. Das Alphabet ist nämlich nur einmal erfunden worden. Alle anderen Alphabete sind seine direkten, indirekten oder mehrfach indirekten Fortsetzer.

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