Paracelsus – Eine Seele zwischen zwei Epochen

Philosoph, Theologe, Kritiker: Theophrastos Bombastos von Hohenheim. Theophrastus Bombastus von Hohenheim (1493-1541) – bekannt als Paracelsus – beeinflusst durch sein Leben und sein Werk Wissenschaften und Kultur bis in die Gegenwart.

Verselbstständigte Wissenschaftszweige der Gegenwart bestimmen Wissen, Meinung und Glauben der Menschen. Das Fundament und die Grundlagen des Wissens jedoch gehen oftmals auf Einzelpersönlichkeiten zurück, die im Stande waren, universal ganzheitlich zu denken. Die durch ihr umfangreiches Wissen Zusammenhänge herzustellen fähig waren, die heutzutage oftmals im Detail verloren gehen.

Theophrastus Bombastus von Hohenheim ist eine solche Persönlichkeit. Bekannt durch seine medizinischen Errungenschaften, seine chemischen und astronomischen Forschungen und seine theologischen Lehren soll hier der Blick auf diese bemerkenswerten Person gerichtet werden.

Paracelsus – Kind unruhiger Zeit

Unruhige Zeiten bringen unruhige Menschen hervor. Der Zerfall einheitlichen Denkens im 16. Jahrhundert erweckte Individualisten und machte erfinderisch. Die Wiederentdeckung von Selbstbewusstsein und Selbstverantwortung ließ Autoritäten in den Schatten treten. Paracelsus, so der Beiname des Theophrastus, war ein Mensch, der, wie in einem Brennglas gebündelt, diese beispielhaften Merkmale des Umbruchs vom Mittelalter zur Neuzeit in sich verkörperte. Äußere wie innere Unruhe ließen ihn zum Wanderer durch ganz Europa werden. Dem einheitlichen Kollektiv des Mittelalters entschlüpft, losgelöst von theologischer Bevormundung und distanziert von den Auswüchsen mittelalterlicher Scholastik, entwickelte sich der Sprössling aus dem schwäbischen Adelsgeschlecht zu einer individualistischen Forschernatur. Durch die fast kämpferische Kritik gegen Gläubige althergebrachter Dogmen und das offene Aufbegehren gegen Autoritäten entwickelte sich Paracelsus zu einem für viele unangenehmen Zeitgenossen.

Medizin, Chemie, Theologie, Astrologie – Universal-Wissenschaftler Paracelsus

Gleich seinem Vater widmete auch Theoprastus von Hohenheim sich vornehmlich der Medizin. Diese war im 16. Jahrhundert noch eng mit der Theologie und der Astronomie verbunden. In jungen Jahren entwickelte Paracelsus zudem Interesse am Bereich der Chemie. Vermutlich begann er bereits in jungen Jahren die Welt als Produkt chemischer Lebensvorgänge zu betrachten. Er verglich die Welt mit einem großen Bergwerk, die Menschen mit einem kleinen Bergwerk. In Übertragung schuf er damit die Unterscheidung zwischen Makrokosmos und Mikrokosmos. Im paracelsischen Sinne besteht die Aufgabe der Medizin darin, die unsichtbaren Verbindungen der Natur sichtbar zu machen, die den Menschen in seinem Mikrokosmos mit dem großen Ganzen, dem Makrokosmos, verbinden. Naturforschung und Theologie strömen mit dieser Auffassung zu einem philosophischen Menschenbild zusammen.

Wander- und Lehrjahre Paracelsus’

Als früher Feldforscher beginnt Paracelsus während seiner weiten Wanderungen durch Europa, seine Erfahrungen in die medizinische Praxis einfließen zu lassen. So sammelt er Erfahrungen als Laborant- Wund- und Armeearzt sowie als Hochschullehrer und Stadtarzt. Aber nicht alleine aus Forschungstrieb machte sich Theophrastus von Hohenheim immer wieder auf den Weg: Seine offene Auflehnung gegen die gängige Auffassung, Krankheit sei die die gerechte Züchtigung des Himmels aufgrund sündhaften Verhaltens, gipfelte 1527: Paracelsus übergab in jenem Jahr den Kanon der Medizin des Avicenna öffentlich dem Scheiterhaufen. Solch ketzerische Aktionen führten zu wachsender Unbeliebtheit seiner Person. Aus Theophrastus wurde der „Dreckschwätzer“, der immer wieder die Flucht ergreifen und durch die Lande ziehen musste.

Als Einzelkämpfer und Individualist stritt Paracelsus unermüdlich für seine innovativen Errungenschaften und Ansichten – auch über den rein medizinischen Bereich hinaus – und spaltete damit die Geister. Seine zahlreichen theologischen Schriften waren oft gespickt mit sozialethischen Zügen und meist voll von rauer Polemik gegen jede Art von „Mauerkirche“.

Auswirkungen der Lehren des Paracelsus’

Wenn die biblischen Worte: „Kein Prophet wir in seiner Heimat anerkannt“ (Lk 4,24b) zutreffen und diese erweitert werden zu: „Kein Prophet wird in seiner Zeit anerkannt“, dann mögen sie in gewisser Weise auf Paracelsus zutreffen. Was in seiner Zeit größtenteils nicht anerkannt wurde, ist eine Vorwegnahme und Vorankündigung dessen, was später doch anerkannt und praktiziert wird. Zu nennen sind an dieser Stelle vor allem die Entwicklung eines neuen medizinischen Weltbildes, Paracelsus’ Einsatz für die Abschaffung der Todesstrafe, seine Idee von gerechter Arbeitsertragsteilung und nicht zuletzt wichtige Entdeckungen auf dem Gebiet der pharmazeutischen Chemie, auf denen die moderne Arzneimittellehre fußt.

Heute zeugen unzählige Benennungen von Straßen, Orten, Institutionen und Auszeichnungen von der Wichtigkeit der überlieferten Gedankenwelt des Paracelsus für Kultur und Wissenschaft. Hinter all dem steht eine Seele, die in ihrem unruhigen, forschenden, kritischen und revolutionären Charakter die zerreißenden Spannungen des Übergangs vom Mittelalter zur Neuzeit wieder spiegelt – eine Seele zwischen zwei Epochen. Paracelsus, ein Mensch, der in seiner Zeit „jetzt schon“ einzuführen versuchte, was „noch nicht“ anerkannt wurde.

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