Gravitationswellen – immer noch voller Geheimnisse

Im Jahr 1915 hat Albert Einstein seine Allgemeine Relativitätstheorie entworfen, die eine theoretische Beschreibung der Schwerkraft darstellt. In ihr wird, anders als in der Newtonschen Mechanik, die Gravitation nicht mehr als Kraft, sondern als Eigenschaft des Raumes beschrieben.

In dieser Theorie ist der Raum selbst keine unveränderliche Größe mehr, sondern nimmt am Geschehen teil: Er wird durch die Verteilung von Masse und Energie im Universum beeinflusst. Seine Struktur verbiegt sich unter dem Einfluss der Materie, jeder Körper dellt den Raum in seiner Umgebung ein, so wie Kugeln ein aufgespanntes Gummituch. Licht und Massen sind gezwungen, durch den so verzerrten Raum zu laufen.

Einstein sagt 1916 Gravitationswellen vorher

Eines der interessantesten Folgerungen aus dieser Allgemeinen Relativitätstheorie betrifft die Existenz von Gravitationswellen, die 1916 von Einstein vorausgesagt, jedoch bis heute einer Bestätigung durch einen direkten Nachweis harrt.

Während ruhende Massen von einem statischen Gravitationsfeld umgeben sind, erzeugen beschleunigte Massen veränderliche Gravitationsfelder. Ähnlich wie ins Wasser fallende Steine verursachen fortschreitende „Raumdellen“ Gravitationswellen, die sich von ihrem Entstehungsort mit Lichtgeschwindigkeit nach allen Richtungen ausbreiten. Hier offenbart sich übrigens eine Gemeinsamkeit mit den elektromagnetischen Wellen (Beispiel Radiowellen), die durch beschleunigte Ladungen erzeugt werden. Anschaulich kann man sich Gravitationswellen als periodische Streckung und Stauchung des Raums vorstellen. Einstein war sich allerdings nie sicher, ob derartige Gravitationswellen tatsächlich existieren; seinen theoretischen Abschätzungen an einem rotierenden Stab entsprechend sollten die Effekte extrem winzig sein.

Pulsare liefern einen ersten indirekten Nachweis

Die verlässlichsten Aussagen über die wellenartigen Erschütterungen der Raumzeit stammen bisher aus einem indirekten Nachweis, der den beiden amerikanischen Astrophysikern Russel Hulse und Joseph Taylor gelang. Sie bestimmten über 20 Jahre lang die Umlaufdauer eines 1974 entdeckten Doppelsternsystems im Sternbild Adler. Dabei handelt es sich um zwei einander eng umkreisende Pulsare, die Radiowellen mit präziser Frequenz aussenden.

Es stellte sich heraus, dass die beiden Massen langsam aufeinander zu spiralen, was sich in einer veränderten Bahnperiode verrät. Der Energieverlust des Systems kann durch Abstrahlung von Gravitationswellen beschrieben werden, die einzige plausible Erklärung. Die Messungen stimmten so hervorragend mit der Voraussage der Allgemeinen Relativitätstheorie überein, dass die beiden Wissenschaftler dafür 1993 den Nobelpreis für Physik erhielten.

Ein erster Detektor für Gravitationswellen

Durchläuft eine Gravitationswelle ein Labor, werden der Raum selbst und sämtliche darin befindlichen Gegenstände für den Bruchteil einer Sekunde in Schwingung versetzt, also gestaucht oder gedehnt. Eine Testmasse und ein Messgerät für deren Längenänderungen sollte theoretisch für den direkten Nachweis genügen. Das Problem liegt in der enormen Winzigkeit des zu beobachtenden Effekts. Nur: Der Raum ist sehr „steif“. Um eine kleine Störung zu erzeugen, ist ein großer Energieaufwand nötig. Gravitationswellen sind allerdings um so stärker, je größer und kompakter die beteiligten Massen sind und je schneller sie diese bewegen. Daher kommen als Quellen von Gravitationswellen mit nachweisbarer Intensität nur Katastrophen mit gigantischen Massenbewegungen in Frage wie das Kollidieren zweier Schwarzer Löcher, Supernovaausbrüche oder der Zerstörung von Doppelsternsystemen.

Erste Pionierversuche unternahm in den 1960er Jahren der amerikanische Physiker Joseph Weber mit Festkörpern, die hochempfindlichen Seismographen ähnelten. Er benutzte riesige Aluminiumzylinder mit einer Masse von 1,5 t, die er von mechanischen und akustischen Störungen abgeschirmt aufhing (Abb.). Der Durchgang einer Gravitationswelle sollte sich in mechanischen Eigenvibrationen äußern, die von auf der Oberfläche des Zylinders angebrachten Piezo-Kristallen registriert werden. Immerhin war seine Isolation so gut, dass das thermische Rauschen bei Zimmertemperatur der dominierende Störfaktor war. Ein Nachweis von Gravitationswellen gelang ihm allerdings nicht, da seine Apparatur, wie man heute weiß, viel zu unempfindlich war.

Das Interferometerprinzip

Anfang der 1970er Jahre erkannte man, dass auch ein Laser-Interferometer geeignet ist, Gravitationswellen nachzuweisen. Bei solchen Interferometern, dessen Urform 1882 den Äther als Träger des Lichts nachweisen sollte, wird die durch die Gravitationswelle hervorgerufene Phasenverschiebung zweier Lichtstrahlen mit modernster Technik gemessen.

Zunächst wird der Laserstrahl in zwei Hälften geteilt. Beide durchlaufen nun zwei unter einem rechten Winkel zueinander stehende, mehrere Kilometer lange evakuierte Rohre mit präzise angeordneten Spiegeln an beiden Enden als Messstrecke. Beide Teilstrahlen werden auf einem Detektor überlagert. Trifft eine Gravitationswelle auf diese Anordnung, so ändern die beiden Interferometerarme ihre Längen relativ zueinander. Dadurch verändert sich der Spiegelabstand geringfügig. Die beiden Lichtwellen geraten „aus dem Takt“, was sich beim Interferenzmuster bemerkbar macht. Aus den Deformationen des mechanischen Systems sind Laufzeitänderungen von Lichtwellen geworden.

LIGO, VIRGO, LISA….

Leider hinterlassen Gravitationswellen keine deutlichen Spuren! Die von schnell rotierenden Doppelsternen mit einem Neutronenstern oder Schwarzem Loch als Partner ausgehenden Gravitationswellen bewirken auf der Erde nur relative Längenänderungen von max. 10-21. Zur Veranschaulichung: Eine Strecke von 3 km Länge ändert sich dann nur um ein winziges Stückchen, das weit unterhalb eines Atomdurchmesser liegt. Und auch das nur für den Bruchteil einer Sekunde. Derartig kleine Erschütterungen lassen sich nur mit sehr empfindlichen, kilometerlangen Interferometern messen und verdeutlichen die messtechnische Herausforderung, die ein direkter Gravitationswellennachweis darstellt. Vor allem die vielen Störquellen, die ein Signal verdecken könnten, müssen bei der ständigen Verbesserung der Detektoren herausgefiltert werden. Dazu gehören Luftdruck- und Temperaturschwankungen sowie Bodenerschütterungen, vor allem die Mikroseismik.

In den letzten Jahren wurden solche Detektoren nach der interferometrischen Methode als irdische Horchposten entworfen und gebaut. Sie haben wohlklingende Namen wie LIGO, VIRGO oder auch GEO600 und arbeiten derzeit noch im zu optimierenden Probebetrieb.

Alle bisher verwirklichten Versuchsanordnungen haben jedoch einen gemeinsamen Nachteil, sie stehen nämlich auf der Erde und müssen mit extrem hohem Aufwand vor den ständigen Erschütterungen der Erdkruste abgeschirmt werden müssen. Beim Projekt LISA sollte daher ein Satelliten-Trio ein Dreieck aus Laserstrahlen mit 5 Mio km Kantenlänge bilden. Das Gemeinschaftsprojekt von NASA und ESA wurde jedoch 2011 (wohl aus Kostengründen) eingestellt.

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