Geschichte des Stahls im 19. Jahrhundert

Bessemer und Thomas lösten ein wichtiges Problem der Metallindustrie. Die Erfindungen von Henry Bessemer und Sidney Thomas ermöglichten es, ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert, Stahl in großen Mengen herzustellen.

Newcomen, Savery und Watt hatten der Menschheit die Dampfmaschine gegeben, Trevithick, Hedley und Stevenson die Eisenbahn. Das waren zwei Schlüsseltechnologien für die Industrialisierung, den Aufstieg de Maschinenbaus und den Massenverkehr. Eine dritte fehlte zunächst noch: Ein Möglichkeit, Stahl in großen Mengen preisgünstig herzustellen, denn Eisenbahn und Dampfmaschine benötigten ungeheure Mengen von Stahl für ihre allgemeine Verbreitung.

Stahl entsteht durch Frischen aus Roheisen

Stahl konnte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts nur in relativ kleinen Mengen hergestellt werden. Dabei war nicht die Erzeugung großer Mengen von Roheisen das Problem, sondern das Frischen, die Aufbereitung des stark kohlenstoffhaltigen und daher technisch unbrauchbaren Roheisens zu Stahl durch Austreiben von Kohlenstoff.

Zwar brachte das Puddelverfahren, welches in 1780er Jahren erfunden worden war, bereits Verbesserungen gegen über den vorher angewendeten Verfahren, doch reichte auch der Puddelstahl bei weitem nicht aus, um den gewaltigen Bedarf zu decken, der durch die Industrielle Revolution entstehen sollte. Ein neues Verfahren musste her, welches es ermöglichte, Roheisen in großen Mengen zu Stahl weiter zu verarbeiten.

Die Bessemerbirne und ihr großer Nachteil

Der britische Ingenieur Henry Bessemer kam auf die Idee, flüssiges Roheisen in einen Behälter zu geben und mittels Düsen in dessen Boden Luft durch die Schmelze zu blasen. Durch den Sauerstoff verbrannte der Kohlenstoff im Eisen, es wurde zu Stahl gefrischt. Durch die Dauer des Blasvorganges konnte man den Kohlenstoffgehalt des fertigen Stahls sogar steuern. Da die Form des Konverters entfernt an ein Birne erinnert, bekam er den Namen Bessemerbirne.

Damit war theoretisch die Misere beseitigt, es konnte Stahl in großen Mengen hergestellt werden. Leider aber nur theoretisch, den das Bessemer-Verfahren funktioniert nicht bei phosphorhaltigen Stählen. In der Tat lieferten die meisten der damals bekannten Erze phosphorhaltiges Roheisen, so dass nur ein kleiner Teil der Roheisenproduktion in der Bessemerbirne verarbeitet werden konnte.

Sidney Thomas entwickelt die Bessemerbirne weiter

Das Problem der Bessemerbirne war eines, welches die Ingenieure und Chemiker der damaligen Zeit offenbar umtrieb. In einer Chemievorlesung, die Sidney Thomas als Gasthörer besuchte, sagte der Professor, dass derjenige ein gemachter Mann sein würde, der eine Möglichkeit fände, mit der Bessemerbirne auch Roheisen aus phosphorhaltigem Erz zu frischen.

Sidney Thomas stammte aus einer ehemals gut situierten Familie, die aber durch den Tod seines Vaters verarmt war. Daher hatte Sidney sein Studium aufgeben müssen und fristete sein Leben jetzt als Schreiber. In seiner Freizeit besuchte er aber weiterhin Vorlesungen und Abendkurse, denn er wollte sich trotz seiner prekären Situation weiterbilden.

Mit seinem Cousin, einem Hüttenchemiker, begann Sidney Thomas zu experimentieren. Schließlich fanden die beiden heraus, dass eine basische Ausmauerung des Konverters aus Wasserglas und Kalk den Phosphor des Roheisens binden konnte: Die Thomasbirne war geboren.

Kein Happy End für Sidney Thomas

Leider endete die Geschichte des jungen Mannes, der sich sein Glück erkämpft hatte, dennoch traurig: Sidney Thomas wurde zwar zu Lebzeiten anerkannt und nahm Patente sowohl auf sein Verfahren zur Stahlherstellung auf, als auch auf die Verwendung des gemahlenen ausgedienten Ausmauerungsmaterials als Dünger, das so genannte Thomasmehl. Dadurch wurde er tatsächlich reich und berühmt, wie der Professor in der Chemievorlesung prophezeit hatte. Er hatte aber nicht viel davon, den er erkrankte an der Schwindsucht und starb mit noch nicht einmal ganz 35 Jahren.

Der Thomasstahl ermöglichte die rasante industrielle Entwicklung des späten 19. Jahrhunderts und beherrschte eine Zeit lang die Technik. Allerdings hatte er einen erheblichen Nachteil, denn er enthielt viel Wasserstoff und Stickstoff. Dies machte ihn brüchig und schlecht schweißbar. Daher sind auch die feuerspeienden Thomasbirnen schon seit Jahren aus den Stahlwerken verschwunden und der Thomastahl wurde durch Stähle aus anderen Verfahren ersetzt.

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