Dorothea Erxleben – starke Frau und Ärztin

1754 promovierte die erste Frau im deutschen Sprachraum in Medizin. Dorothea Erxleben lernte das Medizinhandwerk von ihrem Vater, praktizierte erfolgreich, promovierte mit königlicher Erlaubnis und zog neun Kinder groß.

Sie muss schon eine sehr ungewöhnliche Person gewesen sein – sie, das ist Dorothea Christiane Erxleben-Leporin, die erste promovierte Ärztin Deutschlands. Das ungewöhnliche daran: Ihre Promotion feierte diese Medizinerin am 6. Mai 1754 – also zu einer Zeit, als Universitäten für Frauen „verbotenes Terrain“ waren – und das sollten sie nach dieser ersten deutschen Ärztin auch noch für mehr als 150 Jahre lang bleiben.

Kränkelnde Lateinerin in der Kindheit

Dorothea Christiane Leporin wurde am 13. November 1715 als Tochter des Arztes Christian Polycarp Leporin und der Anna Sophia Leporin im preußischen Quedlinburg geboren. Sie war ein kränkelndes Mädchen, das viel Zeit im Bett verbringen musste – zu ihrem Glück, denn das ermöglichte ihr die Teilnahme am Unterricht, den ihr Vater ihrem jüngeren Bruder erteilte. Sehr rasch stellte sich die Intelligenz des Kindes heraus, der Vater förderte diese und unterrichtete beide Kinder in Religion, Wissenschaften und Medizin. Beim Rektor des örtlichen Gymnasiums lernte Dorothea zudem Latein, Griechisch und Französisch. Vor allem in der „lingua franca“ der damaligen Wissenschaftsgemeinde, Latein, brachte sie es zu wahrer Meisterschaft.

Zulassung zur Universität mit königlichem Beistand

Der Vater, ein vielseitig gebildeter Arzt und Schriftsteller, bereitete beide Kinder auf ein Universitätsstudium der Humanmedizin vor. Dorothea wollte unbedingt an die Universität. Um das zu erreichen, richtete sie ein Bittgesuch an den preußischen König Friedrich den Großen – und dieser – nicht gerade als frauenfreundlich bekannter Herrscher – erteilt diese Erlaubnis unerwarteter Weise tatsächlich.

Krieg um Schlesien

Dann allerdings brachen die schlesischen Kriege aus. Diese Kriege, die in Summe von 1740 bis 1763 andauerten, beschreiben drei bewaffnete Auseinandersetzungen, die unter dem Befehl Friedrich II. stattfanden: Die ersten beiden Kriege beschreiben Preußens Engagement im Österreichischen Erbfolgekrieg – der dritte Krieg ist auch als „siebenjähriger“ Krieg bekannt. Die Ursache der Auseinandersetzungen waren die Machtverhältnisse in der Provinz Schlesien und der Grafschaft Glatz, die Friedrich II. an sich bringen wollte, was letztlich auch gelang.

Aus der Traum durch die Flucht der Männer der Familie Leporin

Wer sich nicht für den Militärdienst rekrutieren lassen wollte, musste Preußen verlassen. Für die Männer der Familie Leporin bedeutete das die Flucht. Und für Dorothea Leporin, die sich darauf gefreut hatte, mit ihrem Bruder die Universität zu Halle/Saale zu beziehen und Medizin zu studieren, bedeutete es, dass sie ihren Traum vorerst ad acta legen musste. Ohne ihren Bruder wollte sie nicht an die Universität gehen. Zudem musste sie nicht nur ihrer Mutter im Haushalt zur Hand gehen, sondern auch die Patienten des Vaters, der ja geflüchtet war, versorgen, was sie mit großem Geschick und Können auch tat.

Neun Kinder durch Heirat mit Pastor Christian Erxleben

Schlussendlich verstarb ihre Cousine und Freundin, die mit dem Pastor Christian Erxleben verheiratet gewesen war und hinterließ ihren Mann und fünf Kinder von einem bis neun Jahren. Dorothea kümmerte sich auch um diesen Haushalt, versorgte Erxleben und dessen Kinder und heiratete den Pastor schließlich 1742. Sie schenkte im Laufe der Jahre fünf Kindern das Leben, führte den großen Haushalt und versorgte weiterhin die Patienten, die den Weg zu ihr suchten. Gleichzeitig diente sie dem örtlichen Damenstift und dessen Äbtissin als medizinische Beraterin. Der örtlichen Ärzteschaft war dies natürlich ein Dorn im Auge. Man beobachtete Erxleben argwöhnisch. Als eine ihrer Patientinnen an Fleckfieber starb, einer Erkrankung, die unter anderem durch Flöhe verbreitet wurde, und an der rund 20 Prozent der Betroffenen verstarben, hatte man endlich einen Grund gefunden, um Erxleben der „Kurpfuscherei“ zeihen und sie anzeigen zu können.

Beschwerde wegen Kurpfuscherei gegen Dorothea Erxleben

Am 5. Februar 1753 reichten die Ärzte Johann Tobias Herweg, Henricus Wilhelmus Graßhoff und Andreas Adolph Zeits beim Quedlinburger Stiftshauptmann Paul Andreas Baron von Schellersheim eine Beschwerde wegen „Kurpfuscherei“ ein. Sie zeigten an, dass „des Herrn Diakon Erxlebens Eheliebste innerlich kurieren, wie die Letztere mit einer unverschämten Verwegenheit in der medizinischen Pfuscherei sich sonderlich signalisiert, da sie die Patienten öffentlich besucht, und sich ohne Scheu Frau Doktorin grüßen lässt.“ Ein Skandal! Die anzeigenden Ärzte forderten, Dorothea Erxleben müsse entweder ihre Arbeit einstellen oder an der Universität eine Promotion ablegen.

Exzellente Promotion

Dorothea Erxleben ließ sich nicht ins Bockshorn jagen, sondern richtete erneut ein Bittgesuch an Friedrich den Großen, in dem sie um die Erlaubnis zur Promotion an der Universität Halle ansuchte. Sie hatte Glück: Der Monarch erteilte die Erlaubnis und am 6. Mai 1754 trat sie vor die Prüfungskommission. Sie wurde zwei Stunden lang examiniert und bestand die Prüfung mit fliegenden Fahnen. Der Dekan der Universität Halle meinte nach der Prüfung sogar, die männlichen Studierenden der Medizin sollten sich an Erxleben ein Beispiel nehmen, wörtlich sagte er: „In Ihren Händen ist man als Kranker gut aufgehoben, verehrte Kandidatin! Ich wünschte, wir hätten immer solche Doktoranden, dann wäre mir um die Patienten nicht bange.“

Dasein als praktizierende Ärztin von kurzer Dauer

Von diesem Tage an durfte Dorothea Erxleben als Ärztin praktizieren. Leider war ihr dieser Erfolg nur relativ wenige Jahre lang gegönnt: Sieben Jahre später verstarb Erxleben an einer Erkrankung, für die man damals keine Heilungsmöglichkeiten sah, an Brustkrebs. Erst mehr als 150 Jahre nach Dorothea Christiane Erxleben durften Frauen die Universität besuchen und ein Medizinstudium absolvieren. Als erste deutsche Ärztin, abgesehen von Erxleben, gilt Dr. Franziska Tiburtius, die 1876 – allerdings in Zürich – promovierte. Erst 1908 wurden die Hochschulen Deutschlands für Frauen geöffnet. Ein wenig früher wurden Frauen in Österreich zum Medizinstudium zugelassen. Ab 1900 durften Frauen auch in der Alpenrepublik ein Medizinstudium aufnehmen. Die erste österreichische Ärztin, Dr. Gabriele Possaner von Ehrenthal musste noch – wie Tiburtius in Zürich studieren. Sie promovierte 1894.

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