Der Vatertag als Familientag?

Ursula von der Leyen will den Vatertag neu erfinden. Jedes Jahr ziehen am Himmelfahrtstag Horden feiernder Männer durchs Land. Familienministerin von der Leyen ist das ein Dorn im Auge. Sie will einen neuen Vatertag.

Gedenktage gibt es reichlich. Von vielen erfährt man oft eher zufällig durch Nachrichten oder Radiobeiträge, denkt für einen Moment über ihren Sinn oder Unsinn nach und geht dann wieder zum Alltag über. Vater- und Muttertag sind jedoch so bekannt, dass man sie kaum vergessen kann.

Himmelfahrt

Der Vatertag wird jedes Jahr am Himmelfahrtstag begangen. Mit diesem christlichen Feiertag dürften allerdings die wenigstens Väter und Nicht-Väter etwas am Hut haben, die an diesem Frühlingstag mit Ghettoblaster und Bollerwagen durch die Lande ziehen. Was nicht heißen muss, dass der Tag für sie ein reines Besäufnis ist. Warum soll es Familienvätern nicht einmal im Jahr erlaubt sein, ein wenig aus der Reihe zu tanzen? Immerhin sorgen viele von ihnen tagaus, tagein für einen Großteil des Unterhalts und tragen als moderne Ehemänner und Väter auch Windel wechselnd und Vokabeln abhörend zum Gelingen des Familienlebens bei. Vielleicht sind sie dabei ein bisschen so wie Schimanski alias Götz George – außen (immer noch ein bisschen) hart, aber innen sensibel und weich.

Vatertag bei von der Leyens

Der Ärztin und engagierten Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) ist der Vatertag dennoch so sehr ein Dorn im Auge, dass sie ihn völlig neu erfunden wissen will. So jedenfalls äußerte sie sich gegenüber dem Online-Portal der „Bunten“. Sie wünscht sich, dass es in Deutschland demnächst ähnlich aussieht wie schon heute in anderen Ländern – in Österreich, Spanien oder Italien zum Beispiel. Dort nämlich wird der Vatertag ähnlich begangen wie der Muttertag: Vater ist für einen Tag lang der „Ehrenbürger“ der eigenen Familie. Er wird beschenkt, gefeiert und ein wenig verwöhnt.

Herr von der Leyen, der sich ebenso wie seine Frau viele Kinder gewünscht hat, genießt dieses Privileg schon heute. Mit Vatertagsblumen beschenkt und überhaupt in den Mittelpunkt gestellt, verbringt er offenbar einen schönen Tag mit seiner Familie. Ein siebenfacher Vorzeigevater eben? – Dass ihm eindeutig etwas entgeht, wenn er nicht in traditioneller Form feiern kann, denken offenbar viele Vatertagfans, die sich in Gesprächen und Internetforen über diese neue Idee der Familienminsterin nicht eben positiv auslassen.

Ohne Buddel geht es kaum

Wer am Vatertag unterwegs ist, begegnet überall fröhlich feiernden Männergruppen. Die Herren treffen sich an zentraler Stelle, wie etwa am Hauptbahnhof. Schließlich kann man aus alkoholtechnischen Gründen nicht mit dem Auto zum Treffpunkt fahren. Viele Feiernde wirken allerdings so jung, dass man sich der Frage nicht erwehren kann, ob sie tatsächlich schon Vaterfreuden genießen. Für die, die es nicht tun, mag der Tag auch so Anlass zu einem anständigen Gelage sein. Was viele nicht wissen: Der Vatertag wurde zunächst als Männertag gefeiert, bei dem auch Junggesellen zugelassen wurden. Denen oblag die heilige Pflicht, für die teilnehmenden gestandenen Väter das Bier zu besorgen und zu befördern.

Wohl behütet

Als äußeres Zeichen der Verbundenheit schmücken viele Feiernde sich mit besonderen Kopfbedeckungen. Von der Russenmütze über den Cordhut bis zum grauen Filzungetüm à la Rübezahl ist alles dabei. Man begrüßt sich männlich-knapp mit kurzer Umarmung. Bier und Schnapsvorräte werden im Bollerwagen untergebracht, der von den Jüngeren partnerschaftlich reihum gezogen wird. Mucke an – und los geht`s durch Innenstädte und freie Natur.

Da das Ganze ja nun möglicherweise doch etwas peinlich aussehen könnte, ist die Bierflasche in der Hand treuer Begleiter. Ein Schluck hier und da hebt die Stimmung und macht Mut. Der ist allerdings nur bedingt notwendig, denn die derzeitigen Gepflogenheiten haben es gesellschaftsfähig gemacht, sich für einen Tag bewusst und mit Spaß an der Freude sozusagen zum Affen zu machen.

Ein wenig Geschichte

Ebenso wie beim Muttertag liegen die Wurzeln des Vatertags in den USA. Louisa Dodd, deren Vater im Rezessionskrieg kämpfte, rief 1910 eine Bewegung zur Ehrung von Vätern ins Leben. Präsident Richard Nixon machte 1974 einen offiziellen Feiertag daraus.

In Deutschland wird der Tag auch als Männer- oder Herrentag gefeiert. Die heute übliche Form des Feierns etablierte sich Ende des 19. Jahrhundert in der Umgebung von Berlin. Der besondere Sinn war, junge Männer als eine Art Eingangsritus in das einzuführen, was ein echter Mann wissen sollte: wie man trinkt, eine Zigarre raucht und was man von den Frauen im allgemeinen und den Damen des Rotlichtmilieus im besonderen wissen sollte.

Besonderheiten im Schaltjahr 2008

Im Schaltjahr 2008 fallen Christi Himmelfahrt, Vatertag und 1. Mai zusammen. Im Rheinland hat das eine besondere Bedeutung auch für junge Frauen. Sie dürfen im Wald Maibäume schlagen, was in anderen Jahren den jungen Männernn vorbehalten ist.

Brückentag und Kurzurlaub

Da der Vatertag ebenso wie Himmelfahrt immer auf einen Donnerstag fällt, bietet sich per Brückentag ein Kurzurlaub an. Die Anreise auf öffentlichen Straßen sollte man jedoch möglichst auf den Vormittag legen. Das Statistische Bundesamt berichtet, dass am Vatertag die Unfallhäufigkeit wegen des gestiegenen Alkoholkonsums dreifach so hoch ist wie an anderen Tagen.

Der viertägige Kurzurlaub eignet sich als Auszeit für den geplagten Vater (um sich etwa bei einem Angelurlaub von beruflichen und familiären Anforderungen gründlich zu erholen). Als Familienurlaub im Sinne von Frau von der Leyen ist er allerdings ebenso geeignet wie für ein trautes Glück zu zweit, damit aus dem jungen oder auch nicht mehr ganz so jungen Mann endlich ein Vater werden kann.

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